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Carl Gustav Jung, der als Begründer der Analytischen Psychologie gilt, hat in diesem Bereich umfangreiche Grundlagenforschung betrieben. Seine daraus entstandenen Theorien werden auch heute noch hoch geschätzt. Die gesammelten Werke von Jung wurden in zahlreiche der meistgesprochenen Sprachen weltweit übersetzt. Sein zentrales Tätigkeitsfeld war die Psychotherapie. Doch sein Einfluss erstreckte sich ebenso auf die Psychologie, Literaturwissenschaft sowie Kunsttherapie. Ein weiteres bedeutendes Interessengebiet für Jung war die Traumforschung.
Das Leben des Carl Gustav Jung
Carl Gustav Jung wurde am 26. Juli 1875 im schweizerischen Kesswil am Bodensee als Sohn eines reformierten Pfarrers geboren. Er erhielt seinen Namen von seinem Großvater Karl Gustav Jung, der ursprünglich aus Mainz stammte.
Im Alter von vier Jahren zog seine Familie mit ihm nach Basel, wo er ab 1895 an der Universität ein Medizinstudium begann. Während seines Studiums entschied er sich für eine Spezialisierung in Psychiatrie. Nach seinem Staatsexamen im Jahr 1900 trat er eine Assistenzstelle in der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli an, wo er unter Eugen Bleuler arbeitete. 1902 veröffentlichte Jung seine Dissertation „Zur Psychologie und Pathologie sogenannter occulter Phänomene“. Das Thema wählte er basierend auf seinen Erfahrungen mit Patienten, die unter dem Phänomen der gespaltenen Persönlichkeit litten.
Später assistierte er bei Pierre Janet in Paris und widmete sich den Assoziationsstudien von Wilhelm Wundt. Zusammen mit seinem Kollegen Franz Riklin, inspiriert von Théodore Flournoy und Sigmund Freud, entwickelte er seine ersten Theorien über „gefühlsbetonte Komplexe“.
Nach seiner Ehe mit Emma Rauschenbach im Februar 1903 folgte seine Habilitation zu Diagnostischen Assoziationsstudien im Jahr 1905, und er wurde Oberarzt der psychiatrischen Klinik Burghölzli. Kurz darauf ernannte ihn die Universität Zürich zum außerordentlichen Professor für Psychiatrie. Nach einigen Jahren als Privatdozent und Oberarzt kam es zum Bruch mit Eugen Bleuler, und 1909 eröffnete er seine Privatpraxis in Küsnacht.
Nachdem er sich 1913 auch von Sigmund Freud, den er seit dessen Schrift „Über den Traum“ schätzte und 1907 persönlich getroffen hatte, distanziert hatte, konzentrierte sich Jung zunächst auf seine Privatpraxis. Im Laufe der Zeit widmete er sich verstärkt der Weiterentwicklung seiner Ansätze zur Analytischen Psychologie. Das Phänomen der Träume gewann nach 1913 ebenfalls zunehmend an Bedeutung in Jungs Arbeit.
C. G. Jung verstarb am 6. Juni 1961 nach kurzer Krankheit im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Küsnacht. Eine detaillierte Beschreibung seines Lebenswerks würde den Rahmen sprengen. Den besten Überblick erhält man sicherlich durch die Betrachtung seiner zahlreichen Publikationen. Seine bedeutendsten Vorträge und Schriften sind in einer 18-bändigen Werksausgabe des Rascher Verlags erschienen, die später vom Walter Verlag fortgeführt wurde. Ein Inhaltsverzeichnis der Gesammelten Werke wird von der Deutschen Gesellschaft für Analytische Psychologie (DGAP) kostenlos zur Verfügung gestellt.
C. G. Jung und die Träume
Träume und deren Deutung spielten eine zentrale Rolle in Jungs Psychoanalyse, die er im Rahmen seiner Analytischen Psychologie entwickelte. Jungs Traumtheorie unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Sigmund Freuds. Ähnlich wie Freud sah Jung Träume als Ausdruck des Unterbewusstseins, jedoch beschränkte er diesen Ausdruck nicht auf die Libido. Während Freud annahm, dass Träume hauptsächlich aus der Unterdrückung natürlicher Triebe und der Sexualität resultieren und somit jeder Traum auf seine Weise ein erotischer Traum ist, betrachtete Jung Träume vor allem als Verarbeitung der Tageserlebnisse während des Schlafs.
Jung unterschied zwischen bedeutenden und unbedeutenden Träumen. Unbedeutende Träume befassen sich mit Alltagsproblemen und dienen der Verarbeitung der Erlebnisse des Vortages. Wichtiger waren für ihn jedoch die bedeutenden Träume, zu denen er archetypische, präkognitive, sich wiederholende und kompensatorische Träume zählte.
Wiederholungsträume oder sich wiederholende Träume entspringen einer konstanten psychischen Situation. Solche Träume zeigen laut Jung ungelöste Probleme, die das Unterbewusstsein zu bewältigen versucht, basierend auf der individuellen Vergangenheit des Träumenden. Er war der Ansicht, dass diese Träume nicht nur das Problem, sondern auch einen Lösungsansatz zeigen.
Archetypische Träume hingegen stehen nicht direkt mit der individuellen Geschichte des Träumenden in Verbindung. Jung glaubte an ein kollektives Unterbewusstsein, das sich nicht auf den Einzelnen beschränkt. Dieses kollektive Unterbewusstsein hat sich, ähnlich wie die menschliche DNA, im Laufe der Evolution entwickelt.
Die gesamte genetische Information des Menschen wurde über Generationen weitergegeben. Abgesehen von zufälligen Mutationen sind alle Menschen genetisch ähnlich, und das seit Jahrtausenden. Das kollektive Unterbewusstsein ist das mentale Gegenstück dazu.
Jung war überzeugt, dass sich auch das Unterbewusstsein mit seinen Inhalten vererbt hat. Zeigt ein Traum ein archetypisches Symbol, so ist dies ein Ausdruck eines allgemeinen Teils des Unterbewusstseins der gesamten Menschheitsgeschichte. Archetypische Traumsymbole stehen daher über dem individuellen Trauminhalt und sind eher der natürlichen Entwicklung der Menschheit zuzuordnen.
In der Untersuchung präkognitiver Träume ging Jung noch weiter ins Spirituelle. Präkognitive Träume sind solche, in denen der Träumende von zukünftigen Ereignissen träumt, die in irgendeiner Weise eintreten. Diese Träume ähneln einer übersinnlichen Wahrnehmung, einem Blick in die Zukunft. Obwohl Jung viele dieser Träume untersuchte, konnte er keine wissenschaftlich fundierte Erklärung finden. Dennoch war für ihn klar, dass es sich um seelische Warnsignale handelt, die den Träumenden dazu anregen sollen, seine Lebenssituation zu überdenken, um potenziell folgenschweren Problemen, die dem Unterbewusstsein bereits bewusst sind, zu entgehen.
Die letzte bedeutende Gruppe von Träumen sind die kompensatorischen Träume. Diese Träume zeigen laut Jung eine gewisse „Autonomie des Unbewussten“. Das Unterbewusstsein reagiert auf die aktuelle Lebenslage des Träumenden und versucht, ein seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen, wenn dieses gestört ist.
Für Jung sind solche Träume eine Antwort auf einen monotonen oder unausgewogenen Lebensstil. Das Unterbewusstsein erzeugt Träume, um diese Einseitigkeit auszugleichen. Charakteristisch für kompensatorische Träume ist, dass sie eine Gegenwelt darstellen, die je nach Lebenssituation mehr oder weniger stark von der Realität abweicht. Je einseitiger das Leben ist, desto extremer ist die Darstellung der Gegenwelt im Traum.
Traumsymbole und Traumdeutung nach C. G. Jung
Jung betrachtete Träume als Ausdrucksmittel der Lebenssituation des Träumenden. Das Unterbewusstsein erzeugt Träume, um dem Träumenden mitzuteilen, was er mit seinem Bewusstsein nicht wahrnehmen kann. Carl Gustav Jung stellte die Traumsymbole in den Mittelpunkt seiner Überlegungen, da er in der symbolischen Darstellung etwas erkannte, das mit gewöhnlichen Worten nicht ausgedrückt werden konnte. Die Symbolsprache ermöglicht es dem Unterbewusstsein, komplexe Sachverhalte verdichtet als Bildfolge darzustellen. Diese Bildfolge soll in der Traumdeutung analysiert werden.
Jung unterschied drei Ebenen der Traumdeutung. Auf der ersten Ebene wird der Traum möglichst objektiv interpretiert. Trauminhalte sowie -personen werden analysiert, wie sie im Traum erschienen sind. Dabei werden Verbindungen zur dargestellten Handlung und den entsprechenden Personen untersucht.
Auf der zweiten Ebene wird der gesamte Trauminhalt aus einer rein subjektiven Sicht gedeutet. Alles, was im Traum passiert ist, wird in Bezug zum gesamten Leben und zur aktuellen psychischen Situation des Träumenden gesehen.
Schließlich gibt es die archetypische Ebene, auch als mythologische Ebene bekannt. Hier werden die Träume in einen noch umfassenderen Zusammenhang gestellt und unter Berücksichtigung des kollektiven Unbewussten in ihrer Gesamtheit betrachtet.