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Ein besonders spannendes Thema ist der Zusammenhang zwischen psychischen Krankheiten und den Träumen der Betroffenen. Träume gelten als das Spiegelbild der Seele. Entsprechend interessant ist daher die Frage, wie es sich auf die Träume auswirkt, wenn die Seele erkrankt ist. Eine allumfassende Analyse sämtlicher psychischer Störungen und die entsprechenden Auswirkungen auf die Träume psychisch Kranker würde sicher jeden Rahmen sprengen. Auch gibt es nicht für alle psychischen Krankheiten hinreichend viele Studien, um verlässliche Aussagen treffen zu können.
Verhältnismäßig gut untersucht sind dagegen viele seelische Erkrankungen, die weit verbreitet sind. Dazu zählen beispielsweise Depressionen, Schizophrenie, Essstörungen, multiple Persönlichkeitsstörungen oder Alkoholabhängigkeit.
Träume und Depressionen bzw. Depressivität
Zunächst sei festgehalten, dass es sich bei Depressionen, Depressivität und depressiver Verstimmung um unterschiedliche Phänomene handelt. Depressivität und depressive Verstimmung sind keine Krankheiten. Die Symptome ähneln denen einer klinischen Depression, sind aber von ihrer Intensität nicht so stark, dass sie einen tatsächlichen Krankheitswert hätten. Diese Zustände sind nur temporär und normalerweise leicht behandelbar. Eine klinische Depression ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die oft auch einen organischen Ursprung hat und in der Regel neben einer Psychotherapie auch eine dauerhafte medikamentöse Behandlung erfordert.
Nichtsdestotrotz ähneln sich die Trauminhalte depressiv verstimmter und klinisch depressiver Menschen in gewisser Weise. Der größte Unterschied ist, dass die Träume von Depressiven tendenziell intensiver sind und insbesondere bezüglich negativer Träume noch häufiger auftreten.
Allgemein sind die Träume depressiver Patienten besonders oft von negativen Emotionen geprägt. Auch Albträume treten vermehrt auf. Die Intensität der negativen Träume steht dabei in einer ziemlich gleichmäßigen Beziehung zum Schweregrad der Depression. Je depressiver der Patient, desto häufiger und intensiver sind seine schlechten Träume. Die meisten dieser schlechten Träume handeln von den unterschiedlichsten Arten des Leidens.
Für die Psychotherapie haben die Träume von Depressiven einen hohen Wert, da sich in ihnen in symbolischer Form die eigentlichen Ursachen der Depressionen offenbaren können. Insbesondere Patienten mit schweren Depressionen haben häufiger Träume vom Tod. Dies kann für den Therapeuten ein wertvoller Hinweis darauf sein, dass sich der Patient tatsächlich, vielleicht auch unbewusst, mit der Option des Suizids beschäftigt.
Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass Albträume und negative Träume auch nach erfolgreicher Behandlung der Depressionen nicht einfach verschwinden. Viele Patienten werden noch monate- oder jahrelang von depressiven Träumen heimgesucht, wenn auch mit abnehmender Intensität und Häufigkeit.
Ähnliche Beobachtungen haben Traumforscher auch bei bipolaren affektiven Störungen gemacht. Im Falle manischer Depression bzw. einer manisch-depressiven Erkrankung wechseln sich Phasen extremer Depressivität und absolut manischer Hochstimmung ab. Die Forscher konnten einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Phasen und den währenddessen auftretenden Trauminhalten feststellen. Träume in manischen Phasen sind in der Regel geprägt von bizarren und lebhaften Bildern, wohingegen die Träume während depressiver Phasen meistens von sehr negativen Gefühlen begleitet werden und oft von Tod oder Verletzung handeln.
Sucht, Alkoholismus und Träume
Jede Form von Sucht hat auch einen direkten Einfluss auf die Träume der Betroffenen. Diese Träume sind im Allgemeinen negativ und oft von aggressiver Natur geprägt. Diese Aggressionen richten sich meist gegen den Träumenden selbst und beinhalten die Substanz, nach der der Träumende süchtig ist. So träumen Alkoholiker häufig vom Trinken, Raucher vom Rauchen und so weiter.
Interessanterweise bestehen die jeweilige Sucht und die davon geprägten Träume nicht in einer andauernden negativen Wechselwirkung. Traumforscher haben beobachtet, dass sich beispielsweise Alkoholikerträume positiv auf eine Therapie auswirken können. Es wurde nachgewiesen, dass Alkoholkranke seltener rückfällig werden, wenn sie nach der ersten Entzugsphase weiterhin negative Trinkträume erleben. Gleiches gilt für Raucher.
Die abschreckende Wirkung dieser Träume lässt sich darauf zurückführen, dass sich die ehemals Süchtigen tief in ihrem Inneren mit den negativen Auswirkungen ihrer Sucht auseinandersetzen und anschließend in der Wachwelt darauf reagieren, indem sie auf ihre mahnenden Träume hören.
Träume und Essstörungen
Essstörungen beeinflussen auch die Träume der Betroffenen. Gesicherte Erkenntnisse liegen sowohl bei Magersucht (Anorexia nervosa) als auch bei Bulimie vor. Die negative Einstellung zur Nahrungsaufnahme begünstigt in beiden Fällen das Auftreten von schlechten Träumen mit direktem Bezug zum Essen.
Die Träume von Menschen mit Magersucht scheinen in direkter Verbindung mit ihrem aktuellen Gemütszustand zu stehen. Patienten mit Anorexia nervosa erleben ständige Wechsel zwischen Phasen von Heißhunger und völliger Appetitlosigkeit. Auffällig ist, dass ihr Schlafzustand nach Tagen, die von Heißhunger geprägt waren, häufig durch Todesträume oder andere schlechte Träume geprägt ist.
An anderen Tagen hingegen dominieren positive Träume, die bemerkenswert oft sogar einen religiösen Charakter aufweisen. Bulimie-Patienten träumen hingegen generell weniger positiv, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass Depressionen eine der häufigsten Begleiterkrankungen bei Bulimikern sind.
Träume und multiple Persönlichkeitsstörung
In den Träumen psychisch erkrankter Menschen spiegelt sich oft ihr spezifisches Krankheitsbild wider, was auch bei Personen mit multipler Persönlichkeitsstörung der Fall ist. Diese psychische Erkrankung ist ebenfalls als dissoziative Identitätsstörung bekannt. Betroffene besitzen mehrere Identitäten, die unabhängig voneinander handeln. Die verschiedenen Persönlichkeiten übernehmen abwechselnd die Kontrolle über das Verhalten der betroffenen Person und weisen häufig komplett unterschiedliche Charaktereigenschaften und Erinnerungen auf.
Jede Teilpersönlichkeit scheint auch ihre eigenen, speziell für sie charakteristischen Träume zu haben. Die Traumforschung ist folglich nicht der alleinige wissenschaftliche Bereich, der sich mit den Träumen von Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung auseinandersetzt. Auch für diverse Therapieansätze sind diese von Bedeutung.
Durch die Träume lassen sich die einzelnen Identitäten gut voneinander abgrenzen und eingehender analysieren. Das Ziel der Forschung in diesem Bereich ist es, die verschiedenen Persönlichkeitsanteile wieder zu einer einzigen Identität zu vereinen. Hierfür benötigen die Forschenden tiefgehende Einblicke in die jeweiligen Identitäten, die sowohl in der Wachwelt als auch in der Traumwelt erkennbar sind.