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Tagträume in der Therapie

Tagträume in der TherapieTräume sind ein wesentlicher Bestandteil nahezu jeder psychotherapeutischen Methode. Sie dienen in der Regel der Problemanalyse und sind ein guter Indikator für den Fortschritt des Heilungsprozesses, da die psychischen Veränderungen durch die Therapie auch die Träume der Patienten beeinflussen.

Durch die Nutzung luzider Träume kann ein Patient zusammen mit dem Therapeuten verschiedene Szenarien durchspielen und alternative Verhaltensweisen einüben, die in der Wachwelt hilfreich sein können. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in der Psychotherapie unter Verwendung von Tagträumen. Bereits Carl Gustav Jung erkannte die Bedeutung von Tagträumen. Zusammen mit seinem Konzept der Archetypen entwickelte er 1913 die Methode der aktiven Imagination.

Dabei geht es im Wesentlichen darum, dass der Patient sich ein inneres Bild vorstellt und beobachtet, wie es sich durch freies Assoziieren verändert. Ziel ist es, nicht nur das eigene Unterbewusstsein zu analysieren, sondern dem Unterbewusstsein auch die Möglichkeit zu geben, den Patienten zu analysieren, um so beide Bewusstseinsebenen zu vereinen.

In der modernen analytischen Psychotherapie wird vor allem die psychoanalytisch fundierte Katathym-Imaginative-Psychotherapie (KIP) angewendet.

Tagträume und die Katathym-Imaginative-Psychotherapie (KIP)

Die Katathym-Imaginative-Psychotherapie (KIP) basiert auf der Methode, dass ein Patient durch bildliche Vorstellungen eine Verbindung zu seinem Unterbewusstsein herstellen kann, um unbewusste innere Konflikte zu erkennen. Während dieser angeleiteten Tagträume kann der Therapeut steuernd eingreifen, um die tief sitzenden, inneren Probleme des Patienten zu identifizieren und zu behandeln.

Die KIP wird vornehmlich zur Therapie von neurotischen Störungen eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete umfassen psychogene Erkrankungen, wie beispielsweise posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), schwere Depressionen oder psychosomatische Schmerzen. In der praktischen Anwendung gliedern sich die Therapiesitzungen der KIP in zwei Phasen: die Gesprächsphase und die Imagination. Diese Phase wird auch als Katathyme-Bildimagination (KB) bezeichnet.

Das Prinzip der Katathym-Imaginativen-Psychotherapie (KIP)

Die KIP basiert auf dem Prinzip, dass der Patient eine Brücke zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein schafft. Dies geschieht, indem der Patient Imaginationen erzeugt, die er detailliert dem Therapeuten schildert. Hierbei existieren bestimmte Standardmotive, die von Hanscarl Leuner entwickelt wurden und als Startpunkt für die Imaginationen dienen.

Beispiele für Standardmotive der KIP:

Durch die detaillierte Betrachtung der Motive in der Imagination kann der Therapeut viel über die tatsächlichen Probleme seines Patienten erkennen. Beispielsweise könnte eine Blume sehr groß erscheinen, aber eine kleine, trockene Blütenknospe aufweisen. Ebenso ist es möglich, dass die Blüte prächtig aussieht, jedoch zu schwer ist, um von ihrem zarten Stiel gehalten zu werden. Sie kann isoliert stehen oder in einem Feld mit vielen anderen Blumen vorkommen.

Anhand der verschiedenen Aspekte der Beschreibungen, die der Patient liefert, kann der Therapeut Rückschlüsse auf die Ursachen der Probleme ziehen. Dies beruht auf der Theorie der KIP, wonach das Ursprungsmotiv (zum Beispiel eine Blume) bewusst imaginiert wird, während die detaillierte Ausgestaltung des Bildes aus dem Unterbewusstsein stammt. So verschmelzen die Ebenen von Bewusstsein und Unterbewusstsein, was dem Unterbewusstsein ermöglicht, das Bild zu prägen, ähnlich wie bei den Traumsymbolen in gewöhnlichen Träumen.

Im Unterschied zu „normalen“ Tagträumen ist der Einfluss des Unterbewusstseins auf die Traumsymbole bei einer gezielt erzeugten, therapeutischen Imagination deutlich stärker, was sich direkt auf die Bildgestaltung auswirkt. Das Unterbewusstsein zeigt sich, wie im Schlaftraum, in symbolischer Form. Die Ursachen der Probleme des Patienten offenbaren sich nicht in direkter Offenheit, sondern in Gestalten, die für den Patienten weniger furchteinflößend sein sollten.

Der Therapeut hat die Möglichkeit, während der Imagination steuernd einzugreifen, Details zu erfragen und die Intensität der Wahrnehmung des Patienten zu beeinflussen. Damit dringt er tief in die Seele des Patienten ein und kann innere Zusammenhänge aufdecken, die in einer herkömmlichen Gesprächstherapie möglicherweise verborgen geblieben wären. Auch kann er das Traumerleben und -empfinden lenken und die Probleme des Patienten durch die Kombination aus Imagination, Psychoanalyse und Gesprächstherapie an der Wurzel packen und heilen.

Im Gegensatz zu vielen anderen psychotherapeutischen Methoden hat der Therapeut bei der KIP quasi direkten Zugang zum Unterbewusstsein und kann während des Therapieverlaufs sogar die Kontrolle übernehmen. Er hat die Möglichkeit, festgefahrene psychische Strukturen zu manipulieren und psychosynthetische Prozesse zu verändern. Damit ist er in der Lage, einige neuronale Verbindungen neu zu gestalten, um beispielsweise psychosomatische Schmerzen zu lindern.

KIP und die besondere Verantwortung des Therapeuten

Die Katathym-Imaginative-Psychotherapie ist eine hervorragende Methode, um Patienten mit Neurosen, posttraumatischen Belastungsstörungen, strukturellen Ich-Störungen oder psychosomatischen Erkrankungen zu unterstützen. Diese Erkrankungen sind oft mit anderen Therapieverfahren schwer oder gar nicht zu heilen.

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Therapeut und Patient ist bei jeder Form von Psychotherapie von Bedeutung. Für die KIP ist dies besonders entscheidend, denn obwohl die Methode sehr wirksam ist, birgt sie auch gewisse Risiken. In der KIP verschmelzen Bewusstsein und Unterbewusstsein nahezu miteinander. Während der herbeigeführten Tagträume gibt der Patient zunehmend Kontrolle über seinen Geist ab und wird direkt mit seinem Unterbewusstsein konfrontiert.

Darüber hinaus spricht der Patient während und nach dem Tagtraum mit seinem Therapeuten über das Erlebte. Diese Kombination kann extrem anstrengend und belastend sein, was zu intensiven physiologischen und emotionalen Reaktionen führen kann.

Gerade zu Beginn der Therapie kann es häufig zu einer Verschlechterung des Gesamtzustands des Patienten kommen, da auf emotionaler Ebene kein Unterschied zwischen einer realen Situation und der Imagination besteht. Die im Unterbewusstsein „vergrabenen“ Auslöser der Störungen dringen in das Bewusstsein vor, was beim Patienten, der nun bildlich damit konfrontiert wird, zu einem Schock führen kann.

Daher ist es besonders wichtig, dass der Patient dem Therapeuten voll vertrauen kann. Der Therapeut muss die Reaktionen seines Patienten aufmerksam beobachten und rechtzeitig eingreifen, sollte sich etwas Kritisches abzeichnen. Er führt den Patienten durch dessen Unterbewusstsein und kann dabei gezielt eingreifen. Die Eingriffsmöglichkeiten sind so weitreichend, dass der Therapeut nicht nur Ängste lindern und neue Verhaltensmuster „einprogrammieren“ kann, sondern auch durch das Auslösen bestimmter Emotionen den Hormonhaushalt beeinflussen kann, was tatsächlich neuronale Veränderungen im Gehirn bewirken kann.

Man könnte sagen, dass eine KIP Ähnlichkeiten mit einer Gehirnoperation aufweist. Während eines neurochirurgischen Eingriffs ist der Patient bei vollem Bewusstsein, während der Chirurg am offenen Gehirn arbeitet. Auch dabei kommt es häufig vor, dass der Patient temporär negative Erfahrungen macht, wie plötzlichen Sprachverlust oder den vollständigen Kontrollverlust über seinen Bewegungsapparat.

Der Patient muss dem Chirurgen vertrauen, dass er genau weiß, was er tut und dass sowohl die temporären Phänomene als auch die Erkrankung, die die Operation notwendig gemacht haben, nach dem Eingriff verschwunden sein werden.

Bei der KIP ist es ähnlich, jedoch ist der Eingriff nicht körperlicher Natur. Der Therapeut trägt dennoch eine ebenso große Verantwortung für seinen Patienten wie der im Vergleich genannte Chirurg.

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