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Tagträume sind, wie der Name schon sagt, Träume, die während des Wachseins erlebt werden. Sie lassen sich mit Fantasien oder möglicherweise auch Halluzinationen vergleichen. Ähnlichkeiten bestehen auch mit dem luziden Träumen, denn in der Regel kann der Tagträumer das Geschehen beeinflussen. Nicht nur die Handlung kann beeinflusst werden, sondern der Tagträumer ist oft auch fähig, den Tagtraum bewusst zu initiieren. Manchmal treten Tagträume jedoch auch spontan bei nachlassender Konzentration und Unaufmerksamkeit auf.
In Kürze zu: Tagträume |
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Was sind Tagträume?
Im Gegensatz zu nächtlichen Träumen ist der Tagträumer bei vollem Bewusstsein. Das Erlebnis ähnelt dem eines gewöhnlichen Traums. Es handelt sich dabei um eine Form der Bewusstseinserweiterung, bei der die Aufmerksamkeit von äußeren Reizen abgezogen und auf das Innere gelenkt wird. Man könnte sagen, die Wahrnehmung und das Selbst treten einen Schritt zurück. Statt die Welt mit den Augen zu sehen, betrachtet man die Bilder mit dem inneren Auge, als wären die Augen nicht Kamera, sondern Leinwand.
Aus psychologischer Sicht stellen Tagträume eine leichte Bewusstseinserweiterung dar, die auftreten kann, wenn das Gehirn unterfordert ist. Sie können jedoch auch als Flucht aus der Realität dienen und einen Verdrängungsmechanismus darstellen. Besonders Kinder neigen dazu, in Tagträume abzutauchen. Manche Kinder entwickeln intensive Tagträume, besonders wenn sie familiäre Probleme haben oder sich vor der Angst vor gewalttätigen Eltern in eine „sichere“ Gedankenwelt zurückziehen.
Inhaltlich sind Tagträume oft mit praktischen Lebensfragen beschäftigt. Sie drehen sich häufig um aktuelle Angelegenheiten, wie Dinge, die noch zu erledigen sind, oder um zwischenmenschliche Beziehungen, die es zu klären gilt. Gelegentlich befassen sich Tagträume auch mit unrealistischen, spekulativen oder erotischen Themen, wobei diese seltener sind als die praxisbezogenen.
Untersuchungen zeigen, dass das neuronale Standardnetzwerk eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Tagträumen spielt. Dieser Bereich des Gehirns ist während eines Tagtraums sehr aktiv und je aktiver er ist, desto intensiver wird der Tagtraum erlebt. Das Standardnetzwerk unterscheidet sich deutlich von den Gehirnarealen, die für fokussiertes Arbeiten genutzt werden. Bei konzentrierter Tätigkeit nimmt die Aktivität des Standardnetzwerks ab.
Wie häufig sind Tagträume und wann treten sie auf?
Besonders Kinder tauchen oft in die Welt der Tagträume ein. Mit ihrer lebhaften Fantasie erschaffen sie häufig aus Spaß eine eigene Traumwelt. Es ist schwierig, genaue Aussagen darüber zu treffen, wie oft dies im Durchschnitt vorkommt. Natürlich erleben auch Erwachsene Tagträume, besonders kurz vor dem Einschlafen.
Tagträume treten häufig in Phasen nachlassender Konzentration auf. Menschen, die monotone Aufgaben ausführen oder die Konzentration verlieren, neigen besonders zum Tagträumen. Die Gedanken schweifen ab, und das Gehirn beschäftigt sich quasi mit sich selbst. Der Tagträumende zieht sich etwas in den Hintergrund der Wahrnehmung zurück und entwirft Bilder oder führt innere Monologe, während er dennoch einfache Aufgaben erledigen oder sich normal in der Öffentlichkeit bewegen kann, allerdings etwas unaufmerksamer.
Viele psychische Erkrankungen begünstigen das Auftreten von Tagträumen. Bei einigen Fällen von Schizophrenie oder der Borderline-Persönlichkeitsstörung sind Tagträume eines der ersten Symptome. Dies bedeutet jedoch nicht, dass häufige Tagträume automatisch auf eine dieser Krankheiten hinweisen. Vielmehr neigen Borderline-Patienten oder Schizophrene dazu, die Grenze zwischen Tagtraum und Realität zu verwischen, was sowohl für sie selbst als auch für ihr soziales Umfeld oft sehr belastend ist. Auch Menschen mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) neigen verstärkt zu Tagträumen.
Sind Tagträume nützlich oder gefährlich?
Tagträume gelten als weitgehend ungefährlich. Die meisten Tagträumer erkennen schnell, dass sie sich in einem Tagtraumzustand befinden und können die Geschehnisse in der Außenwelt weiter kontrollieren. Das Unfallrisiko durch Tagträumen ist gering, denn wer sich seiner Neigung bewusst ist, achtet auf erste Anzeichen und kann so vermeiden, in heikle Situationen zu geraten, weil er durch den Tagtraum abgelenkt wird.
Auch bleibt niemand in einem Tagtraum „gefangen“. Zwar kann die Grenze zwischen Wach- und Traumwelt verschwimmen, bleibt aber dennoch bestehen. Hier zeigt sich eine weitere Parallele zu den luziden Träumen. Tagträume können allerdings auch als Warnsignale der Psyche verstanden werden. Wer häufig und unkontrolliert tagträumt, sollte einen Arzt aufsuchen, da es ein erstes Anzeichen für Schizophrenie oder das Borderlinesyndrom sein könnte.
Im Vergleich zu den potenziellen Gefahren überwiegt der Nutzen von Tagträumen deutlich. Sie können beispielsweise bei der Lösung komplexer Probleme helfen. Während eines Tagtraums befindet sich das Gehirn in einer Art Leerlauf und beginnt, sich selbst zu beschäftigen. Dabei werden oft alltägliche Probleme aufgegriffen und selbstständig Lösungen erarbeitet, die man möglicherweise nicht finden würde, wenn man bewusst darüber nachdenkt. Solche Lösungen sind oft so einfach oder komplex, dass man sie beim bewussten Nachdenken übersehen oder wieder verwerfen könnte.
Tagträume dienen auch der Entspannung und der Kompensation seelischen Ungleichgewichts. Sie können Langeweile vertreiben und den Ehrgeiz, bestimmte Ziele zu erreichen, steigern, indem man seine Wünsche visualisiert und dadurch positiver an die Sache herangeht. Das Gehirn entspannt und regeneriert sich während der Tagträume. Es aktiviert das „neuronale Standardnetzwerk“, welches auch während des Schlafs aktiv ist. Während des bewussten Nachdenkens sind dagegen andere Gehirnregionen aktiv, die sich während des Tagtraums erholen können.
Auch in der Psychotherapie und Psychiatrie spielen Tagträume eine wichtige Rolle. Die Nutzung von Tagträumen ist ein bewährtes Mittel zur Beruhigung und zur bilateralen Kommunikation mit dem Unterbewusstsein.
Kann man Tagträumen lernen?
Ja, es ist möglich, Tagträume bewusst hervorzurufen. Jeder Mensch kann zum Tagträumer werden, um sich ausgeglichener zu fühlen oder seine Willenskraft und Kreativität zu fördern. Die Techniken, um bewusst Klarträume herbeizuführen, ähneln denen der luziden Träume. Man begibt sich in einen meditationsähnlichen Zustand, ähnlich wie beim Traumyoga.
An einem ruhigen und entspannenden Ort nimmt man eine bequeme Haltung ein und versucht, den Geist zu leeren. Störende, willkürliche Gedanken werden beiseitegeschoben, und man taucht in seine Traumwelt ein. Der Übergang in den Tagtraum gelingt, wenn man es schafft, immer mehr Aspekte der Tagtraumfantasie in die Gedankenwelt zu integrieren und andere Gedanken zu verdrängen. Ist der Zustand geistiger Leere, abgesehen von den Inhalten der Traumfantasie, erreicht, dreht man sich in Gedanken immer im Kreis. Dadurch verliert man den Sinn für Raum und Zeit und kann vollständig in seinem Tagtraum aufgehen.