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Hypothesen und Theorien zur Traumerinnerung

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass jeder Mensch in jeder Nacht träumt. Umso bemerkenswerter ist, dass die Berichte über Traumerinnerungen so weit auseinandergehen. Einige Menschen erinnern sich jeden Tag an die Träume der vergangenen Nacht, andere dagegen berichten, sich vielleicht nur einmal im Monat an einen Traum erinnern zu können.

Schwankungen bezüglich des Erinnerungsvermögens gibt es selbstverständlich auch in der Wachwelt. Manche Menschen erinnern sich detaillierter und länger an bestimmte Ereignisse als andere. Allerdings sind diese Schwankungen, gemessen mit Erinnerungs- und Konzentrationstests, bei weitem nicht so stark wie auf dem Gebiet der Traumerinnerungen. Ein Bereich der Traumforschung befasst sich mit genau diesem Phänomen und versucht herauszufinden, warum die Spannweite zwischen Erinnern und Nichterinnern so groß ist wie sie ist.

Dabei sind zahlreiche Hypothesen entstanden, die alle ihre Vor- und Nachteile haben oder anders ausgedrückt: die mehr oder weniger wahrscheinlich sind. Relativ einig ist man sich in der Traumforschung jedenfalls, dass es zwei Faktorengruppen gibt, die Einfluss auf die Fähigkeit zur Traumerinnerung haben.

Trait- und State-Faktoren

Die beiden großen Gruppen, die laut der psychologischen Traumforschung die Hauptfaktoren für den Umfang und die Häufigkeit von Traumerinnerungen darstellen, werden Trait- und State-Faktoren genannt.

Als State-Faktoren bezeichnet man Einflüsse, die kurzfristig die Traumerinnerung beeinflussen. Diese sind eher vom Moment geprägt. Beispielsweise, wenn man sich an seine Träume erinnert, kurz nachdem ein bedeutendes Ereignis stattgefunden hat, würde dieses Ereignis als State-Faktor betrachtet werden. Ähnliches gilt für die allgemeine Tagesstimmung oder spontanes Erwachen. Sämtliche Einflüsse, die nicht von Dauer sind oder nicht mit konstanten Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängen, werden als State-Faktoren bezeichnet.

Die als stabile Faktoren bekannten Einflüsse werden unter dem Begriff Trait-Faktoren zusammengefasst. Die Faktoren dieser Kategorie sind durch persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten und soziodemografische Merkmale geprägt. Eigenschaften wie Kreativität, intellektuelle und kognitive Fähigkeiten oder die allgemeine Gedächtnisleistung beeinflussen letztlich auch die Fähigkeit, sich an seine Träume zu erinnern. Daten wie Alter und Geschlecht gehören ebenfalls zur Kategorie der Trait-Faktoren.

Wissenschaftliche Hypothesen über Traumerinnerungen

Die Traumforschung hat eine Vielzahl von Hypothesen und Theorien hervorgebracht, die untersuchen, warum manche Menschen sich öfter oder seltener an ihre Träume erinnern.

Die Life-Style-Hypothese

Die zentrale Aussage der Life-Style-Hypothese besagt, dass Menschen mit einem offenen und kreativen Lebensstil tendenziell häufiger ihre Träume erinnern können im Vergleich zu jenen, die einen überwiegend sachlichen Lebensstil verfolgen. Kreativität und die Akzeptanz unkonventioneller Denkansätze führen dazu, dass diese Personen oft über eine ausgeprägte Vorstellungskraft verfügen, die sich auch in ihren Träumen widerspiegelt. Zudem zeigen solche Menschen meist ein starkes Interesse an den Inhalten ihrer Träume.

Gehört die kreative Dimension der Träume zum Lebensstil einer Person, so sind auch Traumerinnerungen ein natürlicher Bestandteil ihres Lebens. Laut der Life-Style-Hypothese erinnern sich Menschen mit einem sehr sachlich orientierten Lebensstil seltener an ihre Träume, da diese schlichtweg keinen festen Bestandteil ihres Alltags bilden. Die Häufigkeit von Traumerinnerungen variiert also in Abhängigkeit von der allgemeinen Haltung und dem Interesse an Träumen.

Die Interferenz-Hypothese

Die Interferenz-Hypothese lässt sich im Grunde in einem Satz zusammenfassen: Wenn der Mensch zwischen dem Traumerlebnis und dem Erinnern daran gestört wird, leidet auch die Fähigkeit zur Erinnerung. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass jeder störende Einfluss am Morgen, sei es durch Geräusche, seltsame Gedanken oder Ähnliches, die Erinnerung an den Traum negativ beeinflussen kann.

Wenn jemand mit klarem Kopf und in völliger Stille erwacht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er sich gut an seine nächtlichen Träume erinnern kann. Je mehr Zeit zwischen dem Aufwachen und dem Erinnerungsprozess vergeht und je mehr störende Faktoren das Gehirn verarbeiten muss, desto geringer ist die Chance, sich an den Traum zu erinnern.

Die Salience-Hypothese

Salience ist ein Begriff aus dem Englischen, der so viel wie Bedeutung oder Wichtigkeit bedeutet. Gemäß der Salience-Hypothese werden Träume eher behalten, wenn sie besonders eindrucksvoll oder für den Träumenden von großer Bedeutung sind. Hier lässt sich eine Parallele zur Wachwelt ziehen: Auch dort behält man intensiv erlebte Situationen länger und genauer im Gedächtnis als alltägliche Ereignisse.

Die Arousal-Retrieval-Theorie

Diese Theorie basiert auf der Annahme, dass Träume nur dann erinnert werden, wenn sie mit einem bestimmten Wachheitsgrad verbunden sind. Demnach können wir uns nur an Träume erinnern, die vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis übergegangen sind. Laut der Arousal-Retrieval-Theorie geschieht dies ausschließlich während einer Phase mit einem spezifischen Wachheitsgrad.

Nach den Befürwortern dieser Theorie ist dies auch der Grund, warum selbst Menschen, die häufig ihre Träume erinnern, zumeist nur den letzten Traum vor dem Erwachen im Gedächtnis behalten. Die ersten Träume der Nacht bleiben aufgrund der sehr kurzen und leichten Wachphase im Kurzzeitgedächtnis und verschwinden danach. In gewisser Weise stimmt die Arousal-Retrieval-Theorie mit der Interferenz-Hypothese überein, da störende Einflüsse zwischen Traumereignis und der Erinnerung ebenfalls die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Erinnerung vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen wird.

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