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Ratgeber für Eltern: Kinderträume & Albträume bei Kindern deuten

Träume von und Albträume bei Kindern
Alles friedlich: Kinder träumen viel und haben oft mit Albträumen zu kämpfen

Kinder erleben oft außergewöhnliche Träume, die von wunderschön bis seltsam und manchmal auch beängstigend reichen können. Träume sind nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern ein Ausdruck des Unterbewusstseins, das Sorgen, Ängste, Hoffnungen oder Wünsche widerspiegelt. Viele Eltern neigen dazu, die nächtlichen Erlebnisse ihrer Kinder unter dem Motto „ist ja nur ein Traum“ zu vernachlässigen. Dabei verpassen sie eine wertvolle Gelegenheit, die Beziehung zu ihren Kindern zu vertiefen und mehr über deren Persönlichkeit und Entwicklung zu erfahren.

Eltern zeigen meist erst dann Besorgnis, wenn ihr Kind häufig Albträume hat. Dies ist zwar verständlich, sollte aber anfangs kein Anlass zur Sorge sein. Regelmäßige Albträume oder der Nachtschreck (pavor nocturnus, Nachtangst) sind bei Kindern relativ normal und treten bei ihnen häufiger auf als bei Erwachsenen. Eltern sollten dies jedoch nicht als Grund sehen, sich nicht mit den Träumen ihrer Kinder auseinanderzusetzen. Die Art und der Inhalt der Kinderträume können viel über sie verraten.

Wir möchten an dieser Stelle nützliche Hinweise für Eltern geben, wie sie mit den Träumen ihrer Kinder umgehen und diese interpretieren können. In der Traumdeutung können Kinderträume nicht auf dieselbe Weise wie die von Erwachsenen analysiert werden.

Wie erleben Kinder Träume?

Kinder besitzen eine ausgeprägte Fantasie, die sich auch in ihren nächtlichen Erlebnissen widerspiegelt. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Kinder bereits ab der 24. Schwangerschaftswoche träumen können. In diesem Stadium erfolgt die Gehirnentwicklung und der Schlaf beginnt mit der Aufteilung in REM- und NREM-Phasen. Wovon Kinder im Mutterleib oder kurz nach der Geburt träumen, bleibt unklar, doch sicher ist, dass sie träumen.

Für Kinder sind Träume zunächst einfach Wahrnehmungen. Sie empfinden Träume als etwas Absolutes, als ob es tatsächlich passiert. Das Bewusstsein für die Trennung zwischen Traum und Realität, das Verstehen, dass es sich um unterschiedliche Wahrnehmungsebenen handelt, entwickelt sich meist erst im Alter von etwa fünf bis sechs Jahren.

Diese Erkenntnis sollte man im Gedächtnis behalten, wenn Kinder von ihren Träumen erzählen. Die empfundenen Emotionen, seien sie positiv oder negativ, wirken auf sie absolut real. Erwachsene vermögen nach einem Albtraum, in dem sie Todesängste erlebten, aufzuwachen und ihren Tag normal zu beginnen, im Wissen, dass die Angst nur ein Traum war. Kinder im Vorschulalter haben dagegen gerade echte Todesängste durchlebt.

Ursprung und Funktion von Kinderträumen

Wenn man Träume aus einer mechanischen Perspektive betrachtet, unterscheiden sich Kinderträume nicht von denen der Erwachsenen. Jeden Tag bietet die Welt den Kindern viele neue Erfahrungen: Sie sammeln Eindrücke, lernen neue Fähigkeiten, besuchen unbekannte Orte und vieles mehr. Das kindliche Gehirn muss all diese Daten verarbeiten, was oft in Form von Träumen geschieht. Diese Art von Träumen ist bekannt als Verarbeitungsträume.

Kinder verarbeiten in ihren Träumen nicht nur die Erlebnisse des Tages, sondern lernen auch im Schlaf. Einige Sportler nutzen bewusst luzide Träume, um ihre Fähigkeiten zu steigern. In solchen Träumen üben sie wiederholt die gleichen Bewegungsabläufe, wie etwa das präzise Schießen eines Freistoßes oder den Start eines olympischen Sprints. Durch diese Wiederholungen werden die Bewegungen verinnerlicht und können im Wachzustand leichter und präziser ausgeführt werden.

Ähnlich ist es bei Kindern, jedoch geschieht dies nicht in Form von Klarträumen. Neue motorische Fähigkeiten wie gezieltes Greifen oder das Stehen auf zwei Beinen werden im Traum immer wieder geübt. Träume erfüllen eine ähnliche Funktion wie das Spielen. Beim Spielen trainieren Kinder ihre Sinne, lernen Körperkoordination, das Prinzip von Aktion und Reaktion, Sprache und vieles mehr. Aus der Schlafforschung weiß man, dass die Gehirnareale, die während des Spielens aktiv sind, mit denen übereinstimmen, die bei Kinderträumen aktiv werden.

Mit Kinderträumen umgehen

Wenn Kinder von ihren Träumen berichten, tun sich viele Eltern schwer damit, denn sie halten diese oft für Fantasien eines Kindes in der Entwicklung. Diese entspringen einer lebhaften kindlichen Vorstellungskraft. Doch, wie bereits oben erwähnt, ist das nicht der Fall. Was sollten Eltern also unternehmen, wenn ihr Kind oft von verworrenen oder angsteinflößenden Träumen erzählt?

Die erste Empfehlung ist, die Träume der Kinder ernst zu nehmen. Dabei muss jedoch ein Gleichgewicht gefunden werden. Es sollte eher ein „beobachtendes Ernstnehmen“ sein. Eltern sollten nicht jeden Traum ihrer Kinder wie bei einem Erwachsenen analysieren. Dies kann in vielerlei Hinsicht schädlich sein, denn wenn ein Kind nach zwei Albträumen direkt zum Psychologen gebracht wird, erlebt es eine tatsächlich angsteinflößende Situation. Es könnte das Gefühl entwickeln, krank zu sein, und sich überlegen, ob und wie viel es danach von seinen Träumen erzählt. Die gesamte Beziehung zwischen Eltern und Kind könnte darunter leiden.

Eltern sollten vielmehr die Träume ihrer Kinder im Blick behalten und darauf achten, ob sich Muster zeigen, die auf tatsächliche Probleme hinweisen könnten.

Häufige Albträume bei Kindern

Albträume gehören zu den verschiedenen Traumarten. Was all diesen Traumarten gemein ist, ist ihr Ursprung in einem unbewussten, schöpferisch-kreativen Prozess. Insbesondere bei Kindern zeugen Träume von einer ausgeprägten Kreativität. Erlebnisse, Emotionen, Sinneseindrücke und Gedanken – all das wird im Traum kombiniert. Dabei können schnell angsteinflößende Konstrukte entstehen. Angst ist eine der stärksten und bedeutendsten menschlichen Empfindungen.

Kinder haben häufig AlbträumeIn Gefahrensituationen versetzt die Angst den gesamten Organismus in Alarmbereitschaft. Die Sinne werden geschärft und die Muskulatur wird besser mit Energie versorgt, sodass wir schnell fliehen oder uns verteidigen können.

Der Umgang mit Angst, das richtige Einschätzen von Situationen, die körperliche Reaktion auf Angst sowie die Fähigkeit, diese zu steuern und zu verstehen, sind allesamt entscheidende Aspekte, die ein Kind im Laufe seiner Entwicklung lernen muss. Dass dies durch häufige Albträume geschieht, mag nicht angenehm sein, ist jedoch essenziell für die gesunde Entwicklung eines Kindes.

Jedes Kind kommt bereits mit einem gewissen Maß an Trauma zur Welt. Die Geburt ist das erste große Trauma im Leben. Im Mutterleib wächst das Kind in einer warmen, behüteten Umgebung heran. Es träumt bereits und nimmt seine Umgebung wahr, auch wenn es das nicht ausdrücken kann. Die Geburt verändert alles plötzlich: Es wird hektisch, das Fruchtwasser fließt ab, es geht durch einen engen Kanal, draußen ist es trocken, hell und kalt, und auf einmal muss es alleine atmen. Was hier möglicherweise zynisch klingt, entspricht der Realität. Die Geburt ist für das Kind eine traumatische Erfahrung, die es erst verarbeiten muss.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die klassische Traumdeutung bei Kinderträumen, besonders bei Albträumen, wenig aussagekräftig ist. Sich auf die Albtraumdeutung zu konzentrieren, wäre schon deshalb nachteilig für alle Beteiligten, da die tieferen Bedeutungen, etwa von Fallträumen, Geistern oder Zombies, bei den Eltern schnell das Gefühl hervorrufen könnten, bereits versagt zu haben.

Albträume bei Kindern als Hinweis auf Trauma / Misshandlung?

Obwohl man Albträume bei Kindern nicht überbewerten sollte, sollten Eltern ein Auge darauf haben, wie häufig die Träume sind und wovon sie handeln. Hat ein Kind über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig denselben schlimmen Albtraum immer wieder, so kann das durchaus auf ein traumatisches Erlebnis hindeuten. Als Eltern sollte man beobachten, ob es evtl. externe Auslöser gibt. Hilfreich sind hier Antworten auf Fragen wie:

Gewalt und Missbrauch - Trauma und Albträume
Wiederkehrende Albträume können auf Misshandlung hinweisen
  • Seit wann hat das Kind den Albtraum?
  • Ist davor etwas Ungewöhnliches passiert?
  • Tritt der Albtraum nur nach bestimmten Ereignissen auf, bspw. nach einem Waldspaziergang oder wenn es mit Fremden alleine war?
  • Wie sehr leidet das Kind selbst darunter?
  • Hat sich das Verhalten des Kindes seitdem negativ verändert?
  • Ist sonst etwas Merkwürdiges aufgefallen? Malt es „schreckliche“ Bilder oder meidet bestimmte Worte?

Wenn der Verdacht besteht, dass die Albträume auf ein Trauma zurückzuführen sind, kann man sich durchaus an einen Kindertherapeuten oder eine kinderpsychologische Beratungsstelle wenden. Um das Kind nicht zu erschrecken kann man solche Beratungsstellen auch ohne das Kind aufsuchen, um sich zu informieren.

Selbstverständlich sollte man auch selbst mit dem Kind über seine Albträume sprechen. Hier sollte man aber viel Einfühlungsvermögen an den Tag legen und das Kind nicht unter Druck setzen.

Tipps gegen Albträume bei Kindern

Jeder kennt sicherlich die Angst von Kindern vor dem Monster unterm Bett oder im Kleiderschrank. Träume von Ungeheuern sind bei kleinen Kindern nicht ungewöhnlich. Bereits das Sehen eines Monsters in einem Zeichentrickfilm oder Kinderbuch kann dazu führen, dass das Monster in ihre Träume, auch in Albträume, integriert wird. Wenn das Unterbewusstsein einen Albtraum hervorbringt, kann sogar das freundliche Krümelmonster aus der Sesamstraße zu einem furchtbaren Ungeheuer werden. Solche Albträume sind schlichtweg nicht zu vermeiden.

Natürlich gibt es Kinder, die anfälliger für Albträume sind als andere oder intensiver darauf reagieren. Dies liegt daran, dass Kinder in den ersten Jahren kein Konzept vom Traum als solchen haben, sodass alles Geträumte für sie real erscheint. Fast jedes Kind erlebt irgendwann eine Phase, in der es nicht ins Bett gehen möchte, aus Angst, das Monster der letzten Nacht könnte zurückkehren.

Teddy schützt vor Albträumen
Der Teddybär verjagt zuverlässig das Monster unterm Bett

Die meisten Kinder haben instinktiv Angst vor absoluter Dunkelheit. Wenn das Rollo heruntergelassen und die Lichter aus sind, entsteht schnell ein Gefühl der Beklemmung oder Bedrohung. In den meisten Fällen genügt ein kleines Nachtlicht, um die Angst zu vertreiben. Ein kleines Licht ist besser als gar kein Licht, da nicht alles finster und tiefschwarz erscheint.

Auch das gute alte Kuscheltier hilft fast immer gegen die Angst vorm Einschlafen. In der Fantasie des Kindes ist das Kuscheltier ein Held und tapferer Beschützer. Wenn der Teddybär seine Krallen ausfährt oder der mächtige Löwe die Zähne zeigt, ergreift jedes böse Monster die Flucht und lässt sich nicht mehr blicken.

Ein weiterer guter Trick ist ein allabendliches Ritual, nach dem das Kind ruhig und friedlich einschlafen kann, weil es sich sicher und geborgen fühlt. Wenn es sich hinlegt und noch eine kleine Geschichte vorgelesen bekommt, ist Mamas oder Papas beruhigende Stimme das Letzte, was es vor dem Einschlafen wahrnimmt. Bei der Wahl der Geschichten sollte man jedoch vorsichtig sein, denn entgegen der landläufigen Meinung sind nicht alle Kindergeschichten für Kinder geeignet.

Wenn ein Kind direkt vor dem Einschlafen hört, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder im Wald aussetzen, ihnen die Finger abschneiden und Menschen lebendig verbrennen oder die liebe Großmutter von einem Wolf gefressen wird, der anschließend auch dem Kind schaden will, ist das möglicherweise der falsche Impuls, bevor das Licht ausgeht und das Kind in der Dunkelheit allein ist.

Kinderträumen offen begegnen

Wenn Kinder ihre Träume mitteilen, sollten sie das Gefühl haben, ernstgenommen zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, von was das Kind geträumt hat. Der Traum ist ein Teil seiner Wahrnehmung und Realität. Diesen Teil abzuwerten oder als Hirngespinst abzutun, ist für das Kind so, als würde man einen Teil seiner Persönlichkeit geringschätzen. Als Folge kann es passieren, dass das Kind auf Distanz geht und sich nicht weiter öffnet, um erneute Geringschätzung zu vermeiden.

Wer seinem Kind zuhört und mit ihm die Träume bespricht, stärkt die emotionale Verbindung zwischen sich und seinem Kind, und dies in beide Richtungen. Gespräche über Träume sollten jedoch nicht erzwungen werden. Stattdessen sollte man das Kind ermutigen, von sich aus zu erzählen, etwa durch die einfache Frage am Frühstückstisch: „Na, was hast du denn heute Nacht geträumt?“.

Um das Vertrauen zum Kind zu stärken, ist es ratsam, selbst von seinen Träumen zu berichten. Besonders lustige oder absurde Träume eignen sich dafür. Das Kind lernt, dass dies ganz normal ist, weil Erwachsene das ebenso erleben. Dass sie auch darüber sprechen, wird vom Kind meist sehr positiv aufgenommen, da es zeigt, dass man keine Angst vor den eigenen Träumen haben muss, ganz gleich wie schlimm sie erscheinen mögen.

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