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Tagträume und psychische Störungen

Tagträume und psychische StörungenTagträume und Schlafträume weisen sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede auf. Der markanteste Unterschied ist sicherlich, dass man während eines Tagtraums wach ist und nicht tatsächlich schläft. Die Art der Träume ähnelt mehr den luziden Träumen als den „normalen“ Träumen. In der Traumforschung und Psychologie ist es unbestritten, dass zahlreiche Faktoren die Traumerlebnisse und deren Erinnerungen beeinflussen. Einer dieser Faktoren sind die Ereignisse des vorangegangenen Tages. Weitere Einflussfaktoren sind beispielsweise psychische Störungen wie Depressionen oder Schizophrenie.

Wie beeinflussen psychische Störungen das Erleben von Tagträumen? Gibt es erkennbare Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und der Frequenz oder dem Inhalt von Tagträumen?

Allgemeines über Tagträume und psychische Störungen

Allgemeingültige Verbindungen zwischen psychischen Erkrankungen und Tagträumen herzustellen, ist äußerst schwierig. Das Problem liegt darin, dass Tagträume keine psychischen Krankheiten verursachen und auch nicht als eindeutiges Symptom gelten. Dennoch führen einige psychische Störungen wie ADHS zu einer erheblichen Zunahme von Tagträumen, jedoch ohne die Lebensqualität der Betroffenen negativ zu beeinflussen.

Bei psychischen Erkrankungen wie dem Borderlinesyndrom oder Schizophrenie ist die Lage anders und viel komplexer. Betroffene neigen vermehrt zum Tagträumen, allerdings auf eine andere Weise. Sie befinden sich oft in einem psychischen Zustand, der einem Tagtraum sehr ähnlich sieht. Den Betroffenen fällt es jedoch in den seltensten Fällen leicht, zwischen Traum und Realität mit absoluter Sicherheit zu unterscheiden. Im Folgenden wird näher auf die einzelnen Störungen und ihre Zusammenhänge mit Klarträumen eingegangen.

Tagträume und ADHS

Menschen mit ADHS und ADS haben eine ausgeprägte Neigung zu Tagträumen. ADHS, das für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom steht, ist eine Stoffwechselerkrankung des Gehirns. Diese Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Konzentration über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten und fallen durch ihr hyperaktives Verhalten auf. Sie sind ständig in Bewegung, haben eine geringe Aufmerksamkeitsspanne und einen ausgeprägten Bewegungsdrang.

Bei ADS hingegen fehlt das hyperaktive Element. Das H in ADHS kann auch für Hypoaktivität stehen, doch zur besseren Unterscheidung der Archetypen ist es sinnvoller, von ADS zu sprechen. Diese Variante ist körperlich schwerer zu erkennen, da ADSler oft sehr antriebslos, introvertiert und verträumt sind. Hypoaktives Verhalten ist schwieriger zu identifizieren als Hyperaktivität, und Tagträume sind bei diesem Typus noch häufiger und intensiver als bei ADHS-Betroffenen.

Die Ursache liegt in der Struktur des Gehirns. Menschen ohne ADS oder ADHS können ihre Konzentration steuern, ihre Gedanken auf ein Ziel fokussieren und diese Konzentration über längere Zeit aufrechterhalten. Natürlich schweifen auch ihre Gedanken gelegentlich ab, jedoch können sie im Gegensatz zu Menschen mit ADS oder ADHS schnell wieder die Kontrolle darüber erlangen.

Betroffenen hingegen gelingt dies nicht. Ihr Gehirn arbeitet ständig unter Hochdruck, die Gedanken kreisen unaufhörlich und lassen sich nur kurzzeitig kontrollieren. In diesen Momenten arbeitet das Gehirn sehr effizient, aber dafür ermüdet es auch extrem schnell. Die Konzentration ist das Erste, was unter dieser Ermüdung leidet. Da die neuronale Aktivität jedoch nicht abnimmt, sind Tagträume bei Menschen mit ADS oder ADHS besonders häufig.

Menschen mit ADS haben eine höhere Neigung zu Tagträumen als jene mit ADHS. Dies liegt daran, dass bei Hyperaktiven große Teile der überschüssigen Energie durch Bewegung abgebaut werden. Das Gehirn erhält ständig neuen Input zur Verarbeitung. Hyperaktive Menschen leiden weniger unter Ermüdungserscheinungen im Vergleich zu ADSlern, obwohl diese häufiger auftreten als bei Nichtbetroffenen. Sie können jedoch ihre Konzentration nur kurz auf ein Ziel richten, bevor die Aufmerksamkeit unkontrolliert auf ein anderes Ziel wechselt.

ADSler hingegen haben einen Mangel an körperlichen Impulsen. Ihre Energie wird überwiegend intern abgebaut, durch Mikrobewegungen und intensive Hirnaktivität. In dieser Ausprägung beschäftigt sich das Gehirn verstärkt mit sich selbst und fällt oft in Ermüdungsphasen, da es eine immense Anstrengung für das Organ ist, die Gedanken auf ein Ziel zu konzentrieren. Dieser starke Konzentrationsabfall bei gleichzeitig hoher Gehirnaktivität bietet einen idealen Nährboden für Tagträume.

Tagträume und Schizophrenie

Schizophrenie ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die Affektivität, Wahrnehmung und das allgemeine Denken der Betroffenen beeinflusst. Die Diagnose dieser Erkrankung erweist sich meist als schwierig, da sie keine eindeutigen Kardinalsymptome aufweist. Lediglich einige Merkmale sind typisch.

Zu den Hauptmerkmalen der Schizophrenie zählen neben oft als verworren wahrgenommenen Gedankengängen vor allem Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Letztere sind insbesondere im Hinblick auf Tagträume von Interesse. Die Halluzinationen bei Schizophrenie können sowohl optisch als auch akustisch sein. Betroffenen fällt es schwer, Halluzination und Realität zu unterscheiden, und bei fortgeschrittener Schizophrenie wird dies oft sogar unmöglich.

Die an Schizophrenie Erkrankten befinden sich in solchen Phasen in einer Zwischenwelt von Traum und Realität. Man könnte sagen, sie erleben eine Art Tagtraumzustand, den sie weder freiwillig verlassen noch von der Außenwelt unterscheiden können. Beide Ebenen überschneiden sich, sodass der Tagtraum Teil der realen Welt wird. Wem es schwerfällt, sich einen solchen Zustand vorzustellen, dem sei der Film „A Beautiful Mind“ empfohlen. Weitere Filme, die Träume auch im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen thematisieren, sind in unserer Topliste der besten Filme über Träume zu finden.

Bislang ist es der Wissenschaft nicht gelungen, die Ursachen der Schizophrenie eindeutig zu identifizieren. Einige Forscher vermuten den Ursprung der Krankheit in Hirnregionen, die für die Regulierung von Schlaf und Wachzustand verantwortlich sind. Die Theorie besagt, dass Schizophrenie dadurch entstehen könnte, dass das Gehirn die Fähigkeit verliert, kontrolliert zwischen Traumwahrnehmung und Wachzustand zu unterscheiden. So könnten geträumte Inhalte als real empfunden werden, was Außenstehenden meist unverständlich erscheint.

Tagträume und Borderlinesyndrom

Das Borderlinesyndrom, auch als Borderline-Persönlichkeitsstörung oder einfach Borderline bezeichnet, ist eine psychische Störung, deren Symptome sowohl aus dem Bereich der Neurosen als auch der Psychosen kommen. Im Wesentlichen zeigt sich Borderline durch ein extrem impulsives Verhalten der betroffenen Personen, das von spontanen Stimmungswechseln begleitet wird. Für Außenstehende erscheint das Verhalten von Borderline-Betroffenen oft paradox und unberechenbar.

Borderliner, wie die Betroffenen auch genannt werden, haben ähnliche Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Wach- und Traumwelt wie Schizophrenie-Patienten. Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied in der Qualität der Tagträume, sofern man sie so nennen kann. Borderliner wechseln zwischen zwei mentalen Zuständen. In einem Zustand befinden sie sich quasi in der Realität, während der andere Zustand meist einer übertriebenen und idealisierten Selbstdarstellung gleicht.

Während solcher Phasen verhält sich ein Borderliner, als wäre er in einer Traumwelt. Er projiziert alles Positive auf sich selbst und weist Negatives ab. Negative Eigenschaften sind in dieser Perspektive nur bei anderen vorhanden, während man sich selbst als perfekt betrachtet. Der Wechsel zwischen dem Leben in der Traumwelt und der Realität erfolgt abrupt und ohne Vorwarnung, von einem Moment auf den nächsten.

Im Gehirn finden Prozesse statt, die der Erschaffung von Träumen in der Nacht ähneln. Das Unterbewusstsein projiziert bestimmte Eigenschaften auf andere Menschen oder Tiere. Sie erscheinen in Form von Traumsymbolen und sind für den Träumenden sozusagen von außen sichtbar. Ein Borderline-Patient vermischt diese Ebene mit der Wahrnehmung der Realität. Er projiziert Inhalte des Unterbewusstseins auf andere, wobei es sich für ihn um eine absolute Realität handelt. Im Unterschied zu schizophrenen Menschen können die wenigsten Borderliner lernen, diese Phasen als solche zu erkennen und damit umzugehen.

Für sie selbst ändert sich beim Wechsel der Wahrnehmungsebenen im Grunde genommen nichts, sie wechseln einfach von einem Wahrnehmungsmodus in den anderen. Für Außenstehende wirken Borderliner fälschlicherweise wie Patienten mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden psychischen Störungen ist jedoch, dass Borderliner „eine Person bleiben“ und nicht über mehrere getrennte Persönlichkeiten verfügen.

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